Sieg für Schweden im Nationenpreis
Sieg für Schweden im Nationenpreis
Aachen – Es gibt Momente im Leben, da tun wenige hundertstel Sekunden bitter weh. So ein Moment war im Mercedes-Benz Nationenpreis für die deutsche Mannschaft, während die Schweden mit einem Meisterstück ihres Europameisters den Sieg perfekt machten.
Mit vier Strafpunkten in Summe sicherten sich die Schweden den Sieg im Mercedes-Benz Nationenpreis 2019. Ein einziger Zeitstrafpunkt aus dem ersten Umlauf vereitelte einen vierten Sieg in Folge des deutschen Teams. Dabei hatte es nach dem ersten Umlauf noch ganz anders ausgesehen. Rang drei ging ins Partnerland Frankreich mit insgesamt acht Strafpunkten in der Besetzung Pénélope Leprevost auf Vancouver de Lanlore, Olivier Robert auf Vangog du Mas Garnier, Guillaume Foutrier auf Valdocco des Caps und Kevin Staut im Sattel von Calevo.
Das deutsch-schwedische Duell
Als es nach den ersten fünf Reitern noch keinen einzigen Abwurf gab, machte sich Verwunderung breit: Sollte Parcourschef Frank Rothenberger sich so verkalkuliert haben? Die Paare so unterschätzt haben? Mitnichten. Es stellte sich heraus, dass er im Gegenteil ein sehr gutes Händchen hatte. Den Anfang für Schweden machten Henrik von Eckermann und Toveks Mary Lou, das Paar, das am Sonntag im Rolex Grand Prix als Anwärter auf den Grand Slam an den Start gehen wird, nachdem die beiden den Großen Preis von Hertogenbosch hatten gewinnen können. Wenn die Stute dann so springt wie heute, stehen die Chancen auf den Extrabonus nicht schlecht. Heute jedenfalls kam die westfälische Montendro-Tochter nicht auch nur in die Nähe einer Stange. Aber dasselbe galt auch für das erste deutsche Paar, die Weltmeisterinnen Simone Blum und Alice: fehlerfrei, die Soers stand Kopf.
Leider ging es nicht ganz so gut weiter für die deutsche Mannschaft. „Nationenpreis-Heimkehrer“ Christian Ahlmann, der wie auch Daniel Deußer seit 2016 das erste Mal wieder im roten Rock ritt, nachdem vor kurzem beide die Athletenvereinbarung des Deutschen Olympischen Sportbunds wieder unterschrieben haben, war als nächster dran. Sein Clintrexo sprang fantastisch. Bis zum letzten Hindernis. Da fiel die Stange. Im Nachhinein erklärte Ahlmann: „Ich hatte ein bisschen Sorge, dass die Zeit nicht reicht. Darum habe ich auf dem Weg zum letzten Sprung zugelegt. Dann wollte ich ihn noch einmal aufnehmen, aber er reagierte nicht so, wie ich gehofft hatte. Es passte zwar am letzten Hindernis, aber wir hatten so viel Schwung, dass er die oberste Stange mitgenommen hat.“
Daniel Deußer war der nächste mit dem zwölfjährigen Chacco Blue-Sohn Calisto Blue. Der schraubte sich in Riesensätzen über den Parcours und kam ohne Abwurf ins Ziel. Aber die Zeit reichte nicht. Das Paar kassierte einen Zeitfehler, und man ahnte schon: Das könnte teuer werden. Das sollte sich als wahr herausstellen.
Denn nach Christian Ahlmann kassierte auch Marcus Ehning mit seinem selbst gezogenen Funky Fred am letzten Hindernis einen Abwurf. Und genau wie Ahlmann sagte auch Marcus Ehning, dass er Angst hatte, über die Zeit zu reiten. Darum ließ er seinen Funky gehen und so passierte es. So endete der erste Umlauf mit fünf Teams, die alle vier Fehler auf dem Konto hatten und Deutschland auf Rang sechs mit fünf Strafpunkten dahinter.
Der zweite Umlauf
In der Pause zwischen den Umläufen erhöhte Parcourschef Frank Rothenberger drei Hindernisse. Dann ging es in die zweite Runde, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Schnell stellte sich heraus, dass die Kombination aus höheren Hindernissen, der einsetzenden Dunkelheit und des Flutlichts zusammen mit schwindender Kraft die Mannschaften vor neue Herausforderungen stellte. Die Fehler häuften sich, ebenso wie die Verweigerungen. Die Schweden hingegen sprangen gleichbleibend gut. Und die Deutschen liefen zu großer Form auf.
Henrik von Eckermann und Mary Lou gelang eine weitere fehlerfreie Runde. Newcomerin Angelie von Essen, die in England einen Ausbildungs- und Handelsstall leitet und nach 16 Jahren erstmals wieder beim CHIO am Start war, lieferte mit ihrem AES-Wallach Luikan Q ebenfalls eine fehlerfreie Runde. Nach null Fehlern im ersten folgten vier Fehler im zweiten Umlauf für das Küken der Schweden, die 26-jährige Evelina Tovek auf Dalila De la Pomme.
Und die Deutschen? Simone Blum, Christian Ahlmann und Daniel Deußer blieben alle strafpunktfrei. Damit war klar, Marcus Ehning brauchte nicht mehr zu reiten. Er konnte das Ergebnis der Mannschaft nicht mehr verbessern. Alles hing nun von den Fehlern der anderen ab. Die meisten taten den Gastgebern den Gefallen.
Das Paar, das über Wohl oder Wehe zu entscheiden hatte, waren der schwedische Europameister 2017, Peder Fredericson, und sein Namelus R-Sohn Christian K. Sie fingen gut an. Aber dann gab es haarige Momente wie in der dreifachen Kombination, wo der Wallach sogar in Trab fiel. Aber das Glück ist ja bekanntlich mit den Tüchtigen und so kamen die beiden nicht nur wie durch ein Wunder fehlerfrei über den Aussprung, sondern auch ins Ziel. Das bedeutete den Sieg für Schweden und Platz zwei für die Deutschen. Das Publikum feierte die Schweden mit Standing Ovations und ließ die Deutschen gleichermaßen hochleben.
Kein Wunder, dass Dr. Carsten Oder, der Vorsitzende der Geschäftsleitung Mercedes-Benz Cars Vertrieb Deutschland, erklärte: „Es ist eine Ehre für uns, seit 65 Jahren Partner des CHIO Aachen sein zu dürfen.“
Christian Ahlmann war angesichts seines Comebacks in der Nationalmannschaft spürbar ergriffen: „Es ist etwas ganz Besonderes, wenn man hier reinreitet und alles mucksmäuschenstill wird. Das ist besser als jedes Championat!“ . Und Marcus Ehning, der ja an allen drei Nationenpreis-Siegen der vergangenen Jahre beteiligt gewesen war, ergänzte: „Ich bin heilfroh, dass die beiden wieder dabei sind! Damit möchte ich keinesfalls die Leistungen der Reiter in den Vorjahren schmälern, aber kein Team der Welt kann es sich leisten, auf solche Reiter zu verzichten!“